Im neuen Streit um Abtreibung warnt die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang vor einer Politik mit der Brechstange. Sie wünsche sich eine respektvolle Debatte um den Paragrafen 218. "Ich will keine Zustände wie in den USA, wo erbittert und emotional gekämpft wird - und am Ende Frauen die Leidtragenden sind", erklärte sie im Interview mit dem Hamburger Magazin "Brigitte" (Montag).
Hintergrund ist der Bericht einer Expertenkommission, wonach Abtreibungen etwa in den ersten zwölf Schwangerschafts-Wochen legal werden sollen. Lang steht nach eigenen Worten hinter den Ergebnissen der Kommission. Schnelle Gesetzesentwürfe dazu hält sie aber für falsch: "Ich will, dass wir bei dem Thema vorankommen. Und ich glaube nicht an den Erfolg des Prinzips Brechstange."
Lang will auch mit jenen sprechen, die sich in den letzten Jahren nicht für das Thema starkgemacht hätten. In vielen Ländern werde das Thema von rechts instrumentalisiert. Um dies in Deutschland zu verhindern, müsse ein gemeinsamer Weg gefunden werden. Dabei helfe auch eine Mehrheit in der Bevölkerung, die gegen die grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen stehe - laut Umfragen etwa 80 Prozent. Es brauche nun eine Debatte im Bundestag und den Austausch in der Breite der Gesellschaft.
Bezüglich der bestehenden Beratungspflicht von Frauen vor einer Abtreibung erklärte Lang, momentan leisteten die Beratungsstellen wichtige Arbeit. Für die Zukunft müssten die Beratungen aber ergebnisoffen geschehen: "Und das sind sie nicht, wenn es dort heißt: Das ist übrigens rechtswidrig, was du hier machst." Sie plädierte für ein Recht auf Beratung. Dafür müsse aber die Infrastruktur gestärkt werden. Des weiteren fordert Lang eine Kostenübernahme von Abtreibungen durch Krankenkassen. Bisher sei dies nicht möglich, weil Kassen keine strafrechtlich geregelten Eingriffe zahlen dürften.
Die Grünen-Vorsitzende verwies auf den Reformwillen der Ampel-Koalition beim Thema Abtreibung. So habe die Regierung bereits den Paragrafen 219a zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft. Nun müsse ausgelotet werden, was vor der nächsten Wahl 2025 möglich sei. "Jeder nächste Schritt braucht parlamentarische Mehrheiten. Unser Ziel bleibt dabei sehr klar: die Stärkung der reproduktiven Rechte und der Selbstbestimmung von Frauen". (KNA)