Die Staats- und Sozialausgaben in Deutschland sind laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung weder im internationalen noch im historischen Vergleich besonders hoch. In einer am Donnerstag in Berlin vorgestellte Studie wandte sich das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Stiftung gegen die "Mär vom aufgeblähten deutschen Staat". Derartige "alarmistische Diagnosen" halten nach den Worten von IMK-Direktor Sebastian Dullien einem Faktencheck nicht stand.
Die Vertreter der These eines zu großen Sozialstaates wiesen zwar gerne auf immer neue Rekorde bei öffentlichen Ausgaben hin, heißt es in der Studie. Da aber Preise und Einkommen jedes Jahr ebenso stiegen, sei es normal, dass es immer neue "Rekorde" bei Einnahmen und Ausgaben gebe. Die Studie bezieht sich deshalb auf das preisbereinigte, reale Wachstum der Ausgaben. Demnach gehörte Deutschland in den vergangenen 20 Jahren mit einem Zuwachs von 26 Prozent zu den Ländern mit dem geringsten Wachstum der Sozialausgaben, weit hinter Neuseeland, Irland, Polen oder Australien.
Auch die USA, Kanada, Spanien, die Schweiz, Großbritannien oder Schweden verzeichnen demnach ein deutlich höheres Wachstum. Nach Angaben der Forscher ist dies nicht auf einen bereits aufgeblähten deutschen Sozialstaat vor 20 Jahren zurückzuführen. Dafür gebe es keine Hinweise. Denn beim Anteil der staatlichen Sozialausgaben an der Wirtschaftsleistung sei Deutschland im Vergleich der reichen Industrienationen in Westeuropa und Nordamerika ebenfalls unauffällig. Mit 26,7 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), liege die Quote im oberen Mittelfeld.
Laut Statistik liegt die Quote für öffentliche Sozialleistungen in der Schweiz, den Niederlanden und den USA allerdings zwischen 17 und gut 18 Prozent. Die Studie verweist aber darauf, das in diesen Ländern die private Krankenversicherung weitgehend verpflichtend sei. Wenn man öffentliche, vom Staat vorgeschriebene und freiwillige Ausgaben für Soziales zusammennehme, lägen die USA und die Niederlande mit Gesamtquoten am BIP von je 30,7 Prozent sogar geringfügig vor Deutschland mit 30,4 Prozent, während die Schweiz auf 28,6 Prozent komme.
Bei der sogenannten Staatsquote, also den gesamten staatlichen Ausgaben im Verhältnis zum BIP sieht die IMK-Analyse im westeuropäischen Vergleich bis 2023 ebenfalls keine Auffälligkeit für Deutschland. Mit einem BIP-Anteil von knapp 48 Prozent sei sie geringfügig niedriger als im Durchschnitt der EU-Länder. Den Anstieg bei der öffentlichen Beschäftigung in Deutschland führen die Forscher auf ein spürbares Wachstum der Bevölkerung und der Gesamtbeschäftigung zurückführen. Auch bei der Entwicklung der staatlichen Arbeitnehmerentgelte sei keine besondere Dynamik festzustellen. (KNA)