Berlin, 22. Juli 2020 – Die Kinderarmut in Deutschland bewegt sich weiter auf einem hohen Niveau. Darauf weisen aktuelle Zahlen der Bertelsmann Stiftung hin. Danach wachsen 21,3 Prozent oder rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in armen Verhältnissen auf. Im bundesweiten Durchschnitt gebe es laut Studie kaum Verbesserungen. Die Corona-Krise drohe das Problem der Kinderarmut zu verschärfen. Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann kritisierte heute in Berlin scharf, dass die Politik trotz langer guter wirtschaftlicher Entwicklung der Bekämpfung der Kinderarmut weitgehend die kalte Schulter gezeigt habe: „Die Industrienation Deutschland leistet sich mit der anhaltenden Kinderarmut dauerhaft ein nur schwer erträgliches menschliches Dilemma. Die Bundesregierung sieht zu, wie Kinder und Jugendliche in Armutslagen aufwachsen. Das hat nicht nur erhebliche Folgen für das Wohlbefinden, die Bildung und die Zukunftschancen der Kinder. Die politische Teilnahmslosigkeit, Kinderarmut entschlossen zu bekämpfen, schafft zudem die sozialen Miseren der Zukunft. Sie zu bekämpfen, dürfte uns allen aber weitaus größere Anstrengungen kosten.“ Hoffmann fordert eine unüberhörbare politische Antwort aus christlicher und sozialer Verantwortung mit raschen und konkreten Maßnahmen. „Die Bundesregierung muss in einer konzertierten Aktion ressortübergreifend ansetzen: familienpolitisch mit einer grundlegenden Reform des Kindergeldes und arbeitsmarktpolitisch mit einer Austrocknung des weit verbreiteten Niedriglohnsumpfes.“
"Kinderarmut ist immer auch die Armut von Familien“
Hoffmann wies darauf hin, dass der Familienbund der Katholiken bereits vor Jahren ein reformiertes Kindergeldmodell zur Diskussion gestellt habe: „Das Kindergeldmodell des Familienbundes der Katholiken trennt konsequent eine gerechte, am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte Besteuerung von der gezielten Unterstützung von Familien im unteren und mittleren Einkommensbereich. Das Ergebnis ist ein rein förderndes, im unteren Bereich erhöhtes Kindergeld, das mit steigendem Einkommen moderat und linear abgeschmolzen wird. Auf Hartz-IV-Leistungen würde das Kindergeld – anders als heute – nicht in vollem Umfang angerechnet. Dadurch würde die finanzielle Lage von Familien, und damit auch von Kindern, spürbar verbessert. Kinderarmut ist immer auch die Armut von Familien.“
„Soziale Marktwirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen sich selbst und ihre Familien aus eigener Hände Arbeit unterhalten können"
Großen Anteil an der Kinderarmut trügen nach Ansicht von Hoffmann vor allem auch die zahlreichen prekären Beschäftigungsverhältnisse, in denen Eltern arbeiteten: „Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor in Westeuropa. Das ist fatal, weil es dauerhafte Abhängigkeiten der Arbeitnehmer von Sozialleistungen schafft. Denn der Mindestlohn berücksichtigt nicht den Unterhalt von Kindern. Niedriglöhne sind eine Subventionierung der Wirtschaft auf Kosten der Menschen. Löhne müssen existenzsichernd sein, auch für Familien.“ Hoffmann sprach in diesem Zusammenhang „von einem gravierenden Systemversagen der sozialen Marktwirtschaft“: „Soziale Marktwirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen sich selbst und ihre Familien aus eigener Hände Arbeit unterhalten können. Dazu sind prekäre Arbeitsverhältnisse bei weitem nicht in der Lage. Der Mindestlohn muss deshalb deutlich angehoben werden, mindestens auf zwölf Euro, auch über die jüngsten Reformbemühungen hinaus, um den Niedriglohnsumpf auszutrocknen und Familien ein finanziell selbstbestimmtes Leben jenseits von staatlicher Unterstützung zu ermöglichen. Die Freiheit vonFamilie setzt voraus, dass alle erwerbstätigen Eltern ihr familiäres Leben selbst unterhalten können müssen.“
Das Positionspapier zum reformierten Kindergeldmodell des Familienbundes der Katholiken finden Sie hier.